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    Ein zartes Klanggespinst durchflutet die Kirche, changiert in immer neuen Farben und Lichtstimmungen, entfaltet über Stunden hinweg eine hypnotische Wirkung im weiten Raum, aus dem das Tageslicht langsam schwindet. Die Hörer erleben das meditative Ritual in klassischer Konzertsituation auf dem Stuhl sitzend. Oder im Liegestuhl sinnend, später umherwandelnd auf der Spur der schweifenden Klänge, die verborgene Welten aufschließen. Morton Feldmans „For Philip Guston“ von 1984 erfuhr am 11. Mai in St. Petri eine Aufführung in voller Länge von viereinhalb Stunden – eine Großtat des „Ensembles RADAЯ“. Diese Musik, bei der Materialaspekte wie Kompositionstechnik sich nicht aufdrängen, passte ausgezeichnet in die sonst akustisch so tückische Architektur.
    Aus einem einfachen viertönigen Glockenmotiv c-g-a(s)-e(s) entwickelt sich das Werk, Anagramm für Cage, den New Yorker Komponistenkollegen (übrigens auch in Wagners „Parsifal“ Mittel musikalischer Suggestion). Ein eigentlich immer schon existierendes „found object“, das sich, vom Komponisten vermittelt, erst in der Aufführung offenbart und komplexe Wirkung entfaltet. Dem Andenken Philip Gustons ist die Musik gewidmet, dem Maler des abstrakten Expressionismus mit gelegentlichen Tendenzen ins Impressionistische. Projektionen an den Kirchenwänden illustrierten das Bildwerk, dessen Wendung zum Figurativen allerdings Feldman verstörte und einen persönlichen Bruch herbeiführte.
    Großartig in feiner Klangkultur und subtilem Zusammenspiel, natürlich auch in spieltechnischer und geistiger Kondition meisterte das kreisförmig positionierte Solistentrio die schwebenden Klangvariationen und Farbmischungen, die komplexen rhythmischen Verschiebungen und Annäherungen, die repetitiven Patterns (Tonbausteine). Wie da konstant die Spannung hielt, sich immer neue imaginäre Musikvorhänge öffneten, Töne das ganz genau austarierte Gewicht bekamen, fesselte im schönen Spiel von Ninon Gloger (Klavier und Celesta), Beatrix Wagner (Piccolo, Große Flöte, Altflöte) und Jonathan Shapiro (Marimbaphon, Vibraphon, Röhrenglocken und Schlagwerk). Feldmans Musik schattiert vor allem die sanften Werte der Musik. Dem wurden die drei betörend gerecht. Wer bis nach Mitternacht geblieben war, fühlte sich in einen nächtlich zeitenthobenen Zustand versetzt.

    Lübeckische Blätter 2013/11 – Wolfgang Pardey


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